EuGH gegen BGH: Zahlreiche Kreditverträge können widerrufen werden


 

Sensationelle Entscheidung des EuGH

 

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem aktuellen Urteil vom 26.03.2020 ein für viele Verbraucher erhofftes Urteil gesprochen, das den Widerruf vieler Darlehensverträge ermöglichen könnte. 

Dadurch könnten Darlehenskunden Darlehensverträge mit hoher Zinsbelastung vorzeitig beenden, ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung zu bezahlen. Zugleich können diese Kunden von den historisch niedrigen Zinsen profitieren.

 

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Darlehensnehmer, die zwischen dem 1. November 2002 und dem 10. Juni 2010 ein Immobiliendarlehen aufgenommen hatten, konnten sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei einer falschen Widerrufsbelehrung in bestimmten Fällen von ihrem alten Darlehensvertrag lösen und die Finanzierung rückabwickeln, ein neues Darlehen für die Restschuld aufnehmen und vom aktuellen Rekordtief der Kreditzinsen profitieren. Das betraf auch Anleger, deren Finanzierung gar nicht mehr lief, weil die Anleger vorzeitig aus dem Vertrag ausgestiegen sind. Eine bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung konnte bei erfolgreichem Widerruf zurückverlangt werden.

 

Der Bundestag hatte am 18. Februar 2016 beschlossen, das „ewige Widerrufsrecht“ für ältere Verträge aus den Jahren 2002 bis 2010 auslaufen zu lassen. Damit setzte der Gesetzgeber die europäische Wohnimmobilienkredit-Richtlinie um. Das Gesetz trat am 21. März 2016 in Kraft. Danach hatten Verbraucher bis zum 21. Juni 2016 Zeit, von ihrem gegebenenfalls bestehenden Widerrufsrecht Gebrauch zu machen.

 

Wer seinen Darlehensvertrag am 11. Juni 2010 oder später abgeschlossen hat, kann allerdings auch weiterhin einen wirksamen Widerruf erklären. Gerichte hatten bereits einige neuere Belehrungen für fehlerhaft erklärt. So wurden bereits neuere Darlehensverträge von Banken widerrufen, da der Darlehensnehmer anhand der Belehrung den Fristbeginn nicht verlässlich und mit zumutbarem Zeitaufwand ermitteln konnte.

 

Der Bundesgerichtshof hatte in einer viel kritisierten Entscheidung die Auffassung vertreten, dass eine Widerrufsbelehrung mit folgendem Inhalt nicht zu beanstanden sei:

 

 

„Widerrufsrecht

 

Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehnsnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat. ...“

 

 

Die Belehrung wurde in unzähligen Kreditverträgen von Banken verwendet.  

 

Das Landgericht Saarbrücken bat den Europäischen Gerichtshof um Klärung. 

 

Der EuGH hält diese Formulierung für unzureichend, da der Verbraucherkreditvertrag nach der EU-Richtlinie 2008/48 in klarer, prägnanter Form über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts informieren, die Frist für die Ausübung des Widerrufsrechts und die Bedingungen für ihre Berechnung nennen und andere Bedingungen für die Ausübung des Widerrufsrechts angeben muss.

 

Die nach Auffassung des für Banksachen zuständigen XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) genannte Widerrufsbelehrung verweist aber nur auf § 492 Abs. 2 BGB. Dieser Paragraf verweist wiederum auf Art. 247 §§ 6 bis 13 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB), der wiederum auf Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verweist. Diese Kette von Verweisungen wird als Kaskadenverweisung bezeichnet. 

 

Ein Jurist müsste durchaus Anstrengungen unternehmen, um die für den Widerruf erforderlichen Voraussetzungen zu ermitteln. Für einen juristischen Laien ist das dagegen fast unmöglich.  

 

Dennoch hatte der BGH im November 2016 entschieden, dass die Formulierung in einem Verbraucherdarlehensvertrag, die „Widerrufsfrist beginne nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat“,  klar und verständlich über den Beginn der Widerrufsfrist informiere.

 

BGH Urt. v. 22.11.2016 – XI ZR 434/15

 

Diese sehr zu Gunsten der Kreditinstitute ergangene Entscheidung hat bei Fachleuten erhebliches Unverständnis hervorgerufen. Nun entschied letztlich der EuGH, dass dieser Kaskadenverweis den Verbraucher nicht ausreichend darüber in Kenntnis setzt, wann die Widerrufsfrist von 14 Tagen anläuft, innerhalb der der Kunde den Vertrag widerrufen kann. 

Kreditgeber müssen dafür sorgen, dass der von ihnen verwendete Vertrag so klar formuliert ist, dass Verbraucher ihre Rechte kennen und gut verstehen.

 

 

Handlungsempfehlung

 

Nach diesem durchaus wichtigen Urteil sollten Verbraucher ihre Darlehens- und Leasingverträge  fachkundig überprüfen lassen. 

 

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Leasingverträge können betroffen sein, wenn es sich um gerade beim Fahrzeugleasing oft verwendete Finanzierungsleasingverträge handelt. Es besteht eine Verbindung mit den für Verbraucherdarlehen geltenden Regeln, wenn der Finanzierungsleasingvertrag als entgeltliche Finanzierungshilfe einzustufen ist. Die vom EuGH deutlich gemachten Anforderungen gelten auf jeden Fall für reine private Fahrzeugfinanzierungen.

 

Gerade bei Immobiliendarlehen lohnt sich ein Widerruf. Entweder kann die Finanzierung mit einem Darlehen zu den inzwischen niedrigeren Zinsen fortgeführt werden. Oder der Darlehensvertrag lässt sich bei entsprechenden eigenen finanziellen Mitteln ohne Vorfälligkeitsentschädigung beenden. Auch bereits beendete Verträge lassen sich noch widerrufen und so eine eventuell geleistete Vorfälligkeitsentschädigung mit Hilfe eines Darlehenswiderrufs zurückverlangen.

 

EuGH Urt. v. 26.03.2020 – C-66/19

 

 

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